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Silvia Berger Ziauddin & Leo Grob

In die Tiefe. Geschichte und Zukünfte der Underground Frontier


ISBN: 978-3-906817-15-6
DOI: 10.13098/infoclio.ch-lb-0011
Erscheinungsdatum: 2024

Abstract


Der Untergrund wird heute als umfassende Ressource und neue Frontier gehandelt. Tatsächlich werden Sphären unter Grund aktuell mit zunehmender Geschwindigkeit techno-wissenschaftlich durchdrungen und in die kapitalistische Akkumulationsdynamik eingebunden. Das Living Book betrachtet diese «underground frontier» aus historischer Perspektive und beleuchtet gleichzeitig die Verheissungen, die gegenwärtig mit der Tiefe verbunden werden.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewann der Untergrund durch den hochkapitalistischen Montanbau, geologische Kartierungen und den mechanisierten Tunnelbau an Faszination. Diese Entwicklungen nährten die Vorstellung von besseren zukünftigen Gesellschaften, die in technisierten subterranen Sphären leben.

Auch Städte wuchsen durch den Ausbau unterirdischer Infrastrukturen am Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr in die Tiefe. Das «grosse Buddeln» ging einher mit einer sozialen Stratifikation in der Vertikalen und bereitete den imaginativen Nährboden für Ängste der Bourgeoisie vor subterranen Bedrohungen.

Im 20. Jahrhundert beschleunigte sich die Aneignung des Untergrunds als Schutz- und Sicherheitszone während der totalen Kriege. Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts erkannten Ingenieure und Architekten zudem das Potenzial des subterranen Raums als umfassende, scheinbar unerschöpfliche «Ressource» für die urbane Entwicklung. Ab den 1970er Jahren entstanden Wahrnehmungsmuster und Verheissungen, die heute in wissenschaftlichen Diskussionen und öffentlichen Debatten ihren Höhepunkt erreichen: Der Untergrund als vermeintliche «terra nullius» und Frontier, die es zu erwecken beziehungsweise zu erobern gilt, um für die Zukunft resiliente und nachhaltige Gesellschaften zu schaffen.

Der einführende Essay des Living Book betont die Notwendigkeit, diese Verheissungen der «underground frontier» und die damit verbundenen, oft unreflektierten Begriffe kritisch zu analysieren und historisch einzuordnen.