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Martin Lengwiler & Beat Stüdli

Geschichte des Wohlfahrtsstaats


ISBN: 978-3-906817-08-8
DOI: 10.13098/infoclio.ch-lb-0004
Erscheinungsdatum: 2016

Abstract


Die sozialwissenschaftliche Komparatistik war lange bestrebt, die nationale Ausprägung der Wohlfahrtsstaaten mit wenigen modellhaften Typen zu erklären. Im Gegensatz dazu stellen jüngere historische Forschungsarbeiten die Vielfalt der Wohlfahrtssysteme in den Vordergrund.

Zum einen zeigt sich diese Vielfalt im internationalen Vergleich von Wohlfahrtsstaaten. Neben kontrastierenden Ansätzen kann hier auch ein transfergeschichtlicher Zugang gewählt werden. Die Bedeutung der Transferbeziehungen erfuhr im Verlauf der Wohlfahrtsstaatsgeschichte wichtige Veränderungen. Während sozialpolitische Transfers im 19. Jahrhundert durch Gewerkschaftsbewegung und internationale Expertengremien erfolgten, wurden diese im 20. Jahrhundert durch internationale und zwischenstaatliche Organisationen wie die Internationale Arbeitsorganisation und die Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit ergänzt und teilweise abgelöst.

Zum Andern zeigt sich die Vielfalt der Wohlfahrtsstaaten im Inneren der einzelnen Wohlfahrtssysteme. Diese innere Heterogenität beruht auf unterschiedlichen Verflechtungsformen und Interdependenzstrukturen von öffentlichen und privaten Akteuren, wie etwa die Geschichte der Krankenversicherungen exemplarisch aufzeigt. Die Rolle der staatlichen Akteure ist dabei besser erforscht als jene der privaten, und jene der Arbeiterbewegung und der Philanthropie besser als jene der kommerziellen Akteure, die noch für viele Wohlfahrtsstaaten zu erforschen bleibt.

Die funktionale Heterogenität und organisatorische Fragmentierung moderner Wohlfahrtsstaaten erfordert ein neues Verständnis von Staatlichkeit. Ein fruchtbarer analytischer Zugang besteht darin, den Begriff moderner Staatlichkeit zu pluralisieren, indem von einer Vielzahl von „Staatlichkeitsstilen“ ausgegangen wird.